Berichte aus unserer Gemeinde

Erinnerung an Anna Most

*1923 in Kraftshof, +1944 in Auschwitz

Am Volkstrauertag (17. November) soll im Rahmen des Totengedenkens in der Wehranlage auch einer jungen Frau aus Kraftshof gedacht werden, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde: Anna Most. Wir werden eine bronzene Gedenktafel für sie anbringen. 

Seit der ersten Berichterstattung im Gemeindebrief (April 2022) konnten wir einige weitere Dinge über ihr Schicksal herausfinden; dennoch bleiben viele Fragen offen: 
Anna Most wurde 1923 in Kraftshof getauft und 1937 konfirmiert. Nach den Erinnerungen, die in der Familie weitergegeben wurden, war sie nach der Schule Hausangestellte bei einer Familie und zog mit dieser von Nürnberg nach Chemnitz. Ende 1942 ist sie Gefangene im Frauengefängnis Frankfurt-Preungesheim. Im Juni 1943 wird sie von dort in das Polizeigefängnis (Schubgefängnis) Nürnberg überstellt. Laut Familienerinnerung war sie bei den Kabel- und Metallwerken Neumeyer zur Zwangsarbeit eingesetzt. Anfang September 1943 wird sie ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. 

Weswegen wurde sie inhaftiert? In den Unterlagen wird kein Haftgrund genannt. Eine Nachfrage im Staatsarchiv nach Gerichtsakten war auch ergebnislos. Gab es überhaupt einen Prozess oder wurde Anna Most als unbequeme Person einfach weggesteckt? In der Familie vermutete man, sie habe Kontakt zu sozialdemokratischen Kreisen gehabt. 

Über ihre Zeit im Konzentrationslager Auschwitz erhielten wir aus dem Arolsen-Archiv etliche Listen, in denen ihr Name zu finden ist. Der letzte Eintrag stammt vom 14.7.1944. Einige Wochen später erhält die Familie per Post einen Totenschein datiert auf 15.7.1944 und eine Aschenurne. Am 24.8. wird sie auf dem Kraftshofer Friedhof beigesetzt. Im Bestattungsbuch findet sich die Notiz des Pfarrers Jordan: „War in einem Lager zur Zwangsarbeit u[nd] ist dort gestorben u[nd] verbrannt worden.“

Was haben der Vater und die Stiefmutter, die Schwester, was hat der Pfarrer über ihren Tod gedacht, gesagt, empfunden? Wagten sie zu sagen, dass hier schreckliches Unrecht geschah? 

Gewiss, Millionen andere kamen damals ums Leben: Als Soldaten, durch den Bombenkrieg; die Jüdinnen und Juden. Aber wenn man Anna Mosts Schicksal verfolgt, wie eine junge Frau in die Hände eines wie geschmiert laufenden Gewaltsystems gerät und ihr junges Leben vernichtet wird - das erschüttert. Indem wir an Anna Mosts Schicksal erinnern, mahnen wir: Schaut hin, fragt nach, leistet Widerstand, wenn Menschen Unrecht geschieht! 

Wissen Sie aus Familienerinnerungen von anderen solchen Schicksalen, die noch nicht aufgearbeitet wurden? Nehmen Sie Kontakt zu uns auf! 

Pfarrer Matthias Wagner